Die Mandoline in Belarus

Warum sind die Mandolinenspielerinnen aus Belarus so gut?

Diese Frage bewegte mich schon lange. Folglich flog ich nach Minsk, um mir vor Ort einen Eindruck zu verschaffen. Natalia Korsak hatte die Kontakte hergestellt und mit Katsia Prakopchyk konnte ich noch einmal die Ergebnisse diskutieren. Danke euch beiden!

Die Ergebnisse sind ganz einfach zu berichten: Früheste Förderung und unglaublicher Fleiß! 

Das Kind, nennen wir es einmal Nadeshda, geht mit neun Jahren in die MUSIKSCHULE, um Mandoline oder Domra zu lernen. Die Musikschule findet parallel zur allgemeinbildenden Schule statt. Also zusätzlich zum normalen Schulunterricht: Fachunterricht, technische Prüfungen wie Tonleiter mit bestimmter Geschwindigkeit, Tremolo, Etüde, Kadenzen; dazu Orchester, Chor, Klavier als Zweitinstrument, Tonbildung und Musikgeschichte. 

Nadeshda kann erst in die nächste Musikschulklasse aufrücken, wenn sie die Prüfung bestanden hat. „Du kannst das nur erreichen, wenn der Lehrer das Kind ständig unterstützen, kontrollieren und ihm helfen kann,“ betont Katsia Prakopchyk. „Es ist alles sehr strukturiert. Du kannst keine Ebene überspringen und auch nicht durch Privatunterricht umgehen.“ Es gibt pro Woche 2x45 Minuten Mandolinen- oder Domraunterricht als Einzel(!)-Unterricht, Gehörbildung, Musikliteratur und Nebenfachunterricht. Die Kinder besuchen mindestens 2-3 Tage pro Woche die Musikschule. „Für manche Kinder ist es zu viel Druck, da du genauso viel für die Musikschule arbeiten musst wie für die normale Schule. Andererseits eine halbe Stunde pro Woche Mandoline, wie in Deutschland, braucht es viel Selbstdisziplin von Schülern und große Unterstützung von Eltern.“ 

Nach sechs Jahren Musikschule tritt Nadeshda in die FACHMUSIKSCHULE ein, nachdem sie ihr Diplom aus der Musikschule nachweisen kann. Die Fachmusikschule erstreckt sich über vier Jahre und ist bereits recht professionell ausgerichtet. Man hat täglich Fachunterricht (Mandolinen- bzw. Domraunterricht), dazu Fachdidaktik, Dirigat, Methodik des eigenen Instruments, Gehörbildung, Musikgeschichte, Folklore, Orchester und alle allgemeinen Fächer wie zum Beispiel Sprache, Literatur, Kunst, Philosophie, Sport. Am Ende erhält Nadeshda ihr Diplom und kann zum Beispiel als Lehrerin oder Ensembleleiterin an einer Musikschule arbeiten. Oder sie kann die Aufnahmeprüfung zur MUSIKAKADEMIE machen. 

Musikakademie Konzertsaal
Musikakademie Konzertsaal

Eine andere Möglichkeit, die Musikakademie zu erreichen, ist das MUSIKGYMNASIUM. Dieses gibt es nur einmal in Minsk, angegliedert an die Musikakademie. Es beginnt mit Klasse 1 und ist äußerst professionell ausgerichtet für Schülerinnen, die das klare Ziel Musikakademie haben und mehrmals täglich Fachunterricht bekommen. Auch hier erhält man ein Diplom und kann sich nahtlos bei der Musikakademie bewerben. 

Musikakademie Konzert
Musikakademie Konzert
Musikakademie Konzert
Musikakademie Konzert

Eine Ankedote: Ein Mädchen wollte mit Klavier in das Musikgymnasium eintreten. Dies wurde abgelehnt, da ihre Eltern keine Musiker waren. Denn man setzte voraus, dass man kräftig von zuhause unterstützt würde, wenn man ein klassisches Instrument wie zum Beispiel Klavier, Geige oder Oboe lernen möchte. Also entschloss sie sich zur Zymbal-Ausbildung. Dies wurde akzeptiert. Und nun ist sie eine berühmte Zymbal-Spielerin mit fester Anstellung.

In der MUSIKAKADEMIE studiert Nadeshda fünf Jahre und bewirbt sich sodann auf einen der zwei Plätze für Mandoline/Domra in der Philharmonie. Oder sie wird Lehrerin an einer Musikschule, an einer Fachmusikschule, oder in ganz wenigen Fällen als Dozentin an der Musikakademie. Dort ist Nadeshda inzwischen angekommen. Sie ist glücklich.