Ich möchte mir eine Mandoline bauen! - Do it yourself mit Anleitungen von Alfred Woll - die Kunst des Mandolinenbaus

Alfred Woll - Die Kunst des Mandolinenbaus
Ein Mandolinenbuch in Deutsch und Englisch - eine ungeheure Arbeit. Es hat sich gelohnt: Er bekommt Bestellungen von Mandolineninteressierten, von professionellen Instrumentenbauern und Hobbybauern aus USA, aus Japan, und aus Europa sowieso. Vielleicht wird die eine oder der andere über ein Geschenk nachdenken...
Alfred Woll in seiner Werkstatt
Alfred Woll
Wer ist Alfred Woll? Er ist aktiver Musiker, hat in Asien meditiert, in Australien Möbel restauriert, hat Westerngitarren, Konzertgitarren, Bassgitarren und Mandolinen repariert und selbst gestaltet - mit Ernsthaftigkeit und dem Blick für Wesentliches. So beschließt er, zurück in Deutschland, als Gegenmodell zur Konsumorientierung und Wegwerfmentalität, nur noch Instrumente der Mandolinenfamilie zu bauen:

"Denn will man eine Sache richtig gut machen, sollte man sich ihr auch ganz zuwenden." So sein Credo.

Wenn man mit Freunden darüber spricht: „Wie werde ich meine Mandoline bauen?“, dann entstehen automatisch eine Reihe von Fragen, auf die Woll im Verlaufe seines Buches Antworten gibt - entweder anhand von historischen Beispielen von Vinaccia, Embergher und Calace, oder anhand seiner eigenen Entscheidung, welchen Weg er persönlich geht.
 
Ich habe einen Traum von einer schönen Mandoline:
Vinaccia Mandoline ©Alfred Woll
Vinaccia Mandoline ©Alfred Woll
  • Welches Holz ist geeignet und vor allem: welches klingt gut? Ahorn oder Riopalisander?
  • Werde ich die Muschel aus glatten Spänen zusammensetzen oder aus gekehlten?
  • Wieviele Späne brauche ich? 9 oder 40?
  • Wie kann ich die Späne biegen? Mit einem heißen Eisen oder...?
  • Werde ich sie auf einer festen Form aufbringen oder freiluftklebend freihand?
  • Wie befestige ich den Hals am Oberklotz?
  • Mache ich den Hals aus einem Stück oder setze ich den Kopf separat an?
  • Möchte ich ein abgeschrägtes Griffbrett, um das Tremolieren zu erleichtern?
  • Wie gehe ich um mit der unterschiedlichen Stärke der Saiten und der Kompensation ihrer Spannung?
  • Wie stimme ich die Mandoline? Wohltemperiert? Gleichstufig temperiert? Rein?
  • Und dann die Beleistung: Was braucht man? Was klingt gut? Will ich den Bass oder den Diskant hervorheben?
Experimente mit Beleistung ©Alfred Woll
Experimente mit Beleistung ©Alfred Woll
Nun liegt DAS BUCH vor uns, und man kann gar nicht mehr aufhören, es zu studieren. "Studieren" - nicht lesen. Dann erschließt sich die ganze Welt der Mandoline. Alfred Woll wählt dafür drei italienische Traditionen, die zu seiner eigenen Instrumentenentwicklung führen: Die Familie Vinaccia in Neapel, Luigi Embergher in Rom und Raffaele Calace ebenfalls in Neapel. Er geht sodann auf die Entstehung der Deutschen Mandoline ein, stellt sein Vorbild Reinhold Seiffert vor und entwickelt auf 336 Seiten, mit über 800 farbigen Fotos und 33 doppelseitigen Mandolinen-Porträts seine eigenen Mandolinen: das Modell Classico, das Modell Roma, das Modell Solista und das Modell Seiffert. Letzteres mit höchst exakten Angaben, wie man es nachbauen kann:
Anleitungen und Pläne ©Alfred Woll
Anleitungen und Pläne ©Alfred Woll
Alfred Woll Modell Seiffert ©Alfred Woll
Alfred Woll Modell Seiffert ©Alfred Woll
Was lernen wir von Pasquale Vinaccia (1806-1884) und seinen Nachkommen? Zum Beispiel, dass Pasquale die Bauprinzipien der Mandoline ausprobiert, indem er ein flach gewölbtes Instrument - die portugiesische Bauweise vorwegnehmend - konstruiert, mit durchgebrochenem Kopf wie später bei Embergher. Gennaro und Achille bauen Instrumente mit süßem, filigranem Ton und sauberen Verzierungen. Giuseppe mit einer dicken Decke und einer steifen Beleistung, so dass die Laustärke noch nicht optimal projiziert werden kann. Sein Innenreifchen läuft rund um die Muschel, darin sind die Balken eingelassen. Rechts und links vom Schallloch sind Schalllochverstärkungen, da sich sonst häufig der linke und der rechte Rand unter dem Zug der Saiten verformten. 
Pasquale Vinaccia 1876 Mandoline in flacher Bauweise ©Alfred Woll
Pasquale Vinaccia 1876 Mandoline in flacher Bauweise ©Alfred Woll
Die Folge ist ein stabiles Instrument der alten Schule, welches durch seine Dreidimensionierung mit wenigen Spänen versehen und dadurch gewichtssparend konstruiert ist, ähnlich wie die deutsche Mandoline ebenfalls aus wenigen Spänen gebaut wurde - so, wie wir sie später auch im Laufe der persönlichen Entwicklung von Alfred Woll wiederfinden. Pasquale Vinaccia nützte eine Werbe-Idee, wie sie z.B. auch Autofirmen verwenden, wenn sie einer Landesmutter oder einem Landesvater zu einem Fahrzeug verhelfen. Prinzessin Margherita von Piemont erhielt von ihm eine herausragende Mandoline. Da die Prinzessin selbst Mandoline spielte, wollten es viele junge Damen aus dem Adel und dem gehobenen Bürgertum ihr gleichtun - und leisteten sich eine Vinaccia-Mandoline. Ein geniales Marketing!
 
Luigi Embergher (1856-1943) stützt sich auf die römische Tradition, die eine eigene Entwicklung innerhalb der italienischen Mandolinenfamilie bildet. Er will Gewicht sparen. Darum setzt er eine besonders leichte Decke ein, was zu einer schnellen Ansprache, deutlicher Lautstärke und zu einem gewissen Maß an Obertönen führte. Der Preis, den er für seine Leichtbauweise zahlen muss, sind abgeplatzte Balken, die zu durchgebrochenen Decken führen - und wovon Woll gerne Abstand nimmt. Um Gewicht zu sparen, möchte er so steif wie nötig und so leicht wie möglich arbeiten. Alfred Woll bewundert an Embergher den silbernen Diskant, möchte aber den schmalen Hals und die eckige Bauweise nicht imitieren.
Embergher Mandoline und durchbrochener Embergher Kopf ©Alfred Woll
Embergher Mandoline und durchbrochener Embergher Kopf ©Alfred Woll
Emberghers Spezialität ist das zu den hohen Saiten hin abfallende Griffbrett, welches auf Giovanni Battista Malduraund Giovanni De Santis zurückgeht, das frei über die Decke ragt und ein kompensierter Steg, der es ermöglichte, dass die dicken Saiten weiter ausschwingen können.
Embergher Steg ©Alfred Woll
Embergher Steg ©Alfred Woll
Alfred Woll verwendet bei einer Besaitung mit blanken a-Saiten auch einen kompensierten Steg, entwickelt ihn jedoch weiter in ganz eigener Weise.
Woll Steg ©Alfred Woll
Woll Steg ©Alfred Woll
Spannend ist in diesem Zusammenhang der Streit, wer zuerst das abfallende Griffbrett und den kompensierten Steg erfunden hat: Luigi Embergher oder sein Geschäftspartner Giovanni Battista Maldura. Maldura war ein genialer Kopf, der bereits mit 46 Jahren aus Kummer über den frühen Tod seiner jungen Frau verstarb. Von ihm stammt auf jeden Fall eine neue Bundeinteilung auf dem Griffbrett: War bisher eine gleichstufig temperierte Stimmung üblich, so teilte er die oberen Lagen in größere Abstände, damit diese Töne etwas höher klangen. Alfred Woll geht hier einen mittleren Weg nach der üblichen Formel www.wikipedia.org/wiki/Bundreinheit

Für Woll ist Embergher der italienische Mandolinenbauer, der ihn am meisten beeindruckt: Er arbeitet mit feinstem Holz, stets äußerst präzise und klangschön.

Für die Neapolitanische Mandoline ist Raffaele Calace (1863-1934) ein herausragender Vertreter. Er erhielt zahlreiche Ehrentitel der italienischen Regierung für seine Verdienste um die Entwicklung der Mandoline: Cavaliere (Ritter), Uffiziale (Offizier) und Commendatore (Komtur). Man sieht daran, wie wichtig die Mandoline war und welch immenses öffentliches Interesse ihr entgegengebracht wurde! 1924 war Calace Gast des japanischen Kaisers. Als Folge seiner Konzerte gibt es heute alleine in der Region Tokio unzählige Mandolinenvereine. Calace war ein Meister des Marketing und ein überzeugender Künstler!
Die beiden geheimnisvollen Löcher... ©Alfred Woll
Die beiden geheimnisvollen Löcher... ©Alfred Woll
Ein geheimnisvolles Detail sind die beiden ca. 5mm breiten Löcher, die möglicherweise einer Klangverstärkung gedient haben könnten. Genaue Auskunft dazu kann jedoch auch der Enkel des Künstlers nicht geben, Raffaele Calace junior (geb. 1948). Auf Befragen lächelt er sybillinisch. Das weiter entwickelte Meistermodell, welches heutzutage viele junge italienische Solisten spielen, ist das „Modello Classico A“ aus sehr dünnem Ahorn mit 37 Spänen und 29 Bünden. Eine Hohlraumresonanz von 187 Hz, welche unterhalb des Tonspektrums der Mandoline liegt, verbessert die Ausgewogenheit des Instruments, während andere Mandolinenbauer 196 Hz bevorzugen, um das tiefe g deutlich hervortreten zu lassen.

Es gibt noch eine Besonderheit von Calace: Das Liuto Cantabile, ein Mandocello mit einem zusätzlichen Saitenpaar in e gestimmt. Damit kann Calace mit seinem Spiel die gesamte Literatur abdecken.

Calace baut seine Modelle ausgesprochen stabil, im Gegensatz zu Embergher, dafür etwas grundtoniger. Die Bauweise ist für Alfred Woll wegweisend. Er hat mit Aspekten von Calace experimentiert, was ihm half, die Mandoline noch besser zu verstehen.

Embergher baut immer wieder die gleichen Instrumente, hauptsächlich Mandolinen. Calace konstruiert ein Set von Spitzeninstrumenten aus Mandoline, Mandola, Mandoloncello und Liuto Cantabile, um ein Quartett damit auszurüsten. Trotz unterschiedlicher Bauprinzipien von Embergher und Calace ist der Klang ähnlich. Calace baut breiter und bietet mehr Verzierungen an. Embergher baut schmal und hoch.
Der Kopf ist bei Calace mit einer geschnitzten Schnecke mit integrierter Mechanik verziert. ©Alfred Woll
Der Kopf ist bei Calace mit einer geschnitzten Schnecke mit integrierter Mechanik verziert. ©Alfred Woll
Alfred Woll sieht die Instrumente der Vergangenheit und lernt von ihnen. Die Kunst jedoch besteht nicht in der Nachahmung. Es ist gut - so betont Alfred Woll immer wieder - das Alte zu können und zu beherrschen. Und erst wenn man dies kann, sollte man seine eigenen Wege gehen und seinen eigenen Ohren trauen.

Der Doityourself-Lehrling wird nun Versuche anstellen mit einer dicken Decke und mit dünnen Leisten. Oder mit einer dünnen Decke und dicken Leisten. Er darf mit Bewunderung auf die alten Meister schauen. Er darf staunen, was Alfred Woll ihm zu bieten hat. Er wird sich an allen orientieren –und danach seinen eigenen Weg gehen.

Alfred Woll berichtet im Folgenden über eigene Forschungen über die Entwicklung der deutschen Mandoline, insbesondere im Vogtland, kann hier eine ganz eigene Bauweise nachweisen als auch das Bedienen des Massenmarktes, welcher nicht zu hochwertigen Mandolinen führte.

Bei der italienischen Bauweiseentsteht durch denKnick zusammen mit der Querwölbung ein tragendes Gewölbe, für das man keinen Balken braucht. Das Gewölbehält dem Druck der Saiten stand. Bei der deutschenBauweise wird auf dieses Konstruktionsdetail verzichtet und ein Balken direkt an den Knick gesetzt.

Und dann schreibtAlfred Woll über Reinhold Seiffert, dessen Mandolinen ihm als eigentliches Vorbild dienten.
Alfred Woll hält die Vorderseite einer Mandoline in die Kamera
Alfred Woll hält die Rückseite einer Mandoline in die Kamera
In Zusammenarbeit mit Professorin Marga Wilden-Hüsgen und dem Mandolinenbauer Reinhold Seiffert entstand 1979 der Wunsch nach einer modernen Mandoline :"...mit einem glockenreinen warmen Ton, der sich an einer Sopranlaute orientiert...mit wenigen Spänen... und einer größeren, runderen Decke...:"
Marga Wilden-Hüsgen 1979 ©Wilden-Hüsgen, damals noch mit ihrer Herwiga Mandoline
Marga Wilden-Hüsgen 1979 ©Wilden-Hüsgen, damals noch mit ihrer Herwiga Mandoline

Diesem Ideal verschrieb sich Alfred Woll und verfeinerte das Modell von Seiffert in jedem Detail! Vom Klangideal der Seiffert-Mandoline inspiriert, experimentierte er über Jahre und entwickelte manch eigenes Modell.

Doch warum orientierte sich Alfred Woll gerade an dem Seiffertschen Ideal anstelle der italienischen Tradition. Optisch gleicht die Seiffert-Mandoline zwar einer Sopranlaute. Doch diese ist hauchdünn und die Seiffert-Mandoline ist ausgesprochen stabil gebaut. Auch Woll-Mandolinen lassen an Stabilität nichts zu wünschen übrig.

Marga Wilden-Hüsgen äußerst sich dazu: „Ich glaube, die Wahl von Alfred Woll das Seiffert-Modell zu bauen, war eine gewissen Notwendigkeit, weil damals alle guten und sehr guten Solisten eine Seiffert spielten.

In der Tat war es auch so, dass kaum eine der damals aktuell gebauten Mandolinen in alter, herkömmlicher Form, an die Klangqualität einer Seiffert herankam.

Es gab allerdings auch eine wichtige Voraussetzung: Der Klang entstand nur mit der modernen, in den 60er Jahren entwickelten Spieltechnik (Abschlag mit geneigtem Plektrum und Anlegen, Wechselschlag mit aufgerichtetem Plektrum, dabei den Ab - und Aufschlag völlig gleichförmig ausführen) — und die guten Spieler wollte Alfred bedienen. Auch ein weiterer Punkt war maßgebend. Alfred Woll ist ein guter Musiker und er hörte den Klang-Unterschied bei den unterschiedlichen Instrumenten. Wir haben viel probiert und diskutiert. Wir hatten gute und interessante Stunden in der Hochschule in Wuppertal.“

Noch einige aufklärende Sätze der Zeitzeugin Marga Wilden-Hüsgen, warum sie gerade d i e s e n Klang anstrebte.

Hat Dich der Klang der italienischen Mandolinen geärgert? 

„Nein. Als ich Kind war, ganz sicher nicht, weil ich diese Musiker nie spielen hörte. Später, als ich diesen Klang kennenlernte, hatte ich meine Tongebung entwickelt und fand den Ton eher unschön. Die richtigen Töne waren manchen Spielern oft wichtiger als der Klang. Das aber hat sich mittlerweile geändert. Von obiger Kritik möchte ich Raffaele Calace ausnehmen, er machte mit Leidenschaft Musik und hatte einen wunderbar sauberen, dynamischen und sprechenden Ton. Ich lernte auch Mandolinenspieler aus Italien kennen, die ebenso wunderbar spielten, wie Calace!!!“

War Dir der italienische Klang zu höhenlastig? Zu schrill? Der deutsche zu schwer?

„Auf jeden Fall zu höhenlastig. Dazu kam, das viele Plektren und Saiten einen eher harten oder spitzen Ton hergaben und sich so für einen lebendige, wandelbare und dem Text entsprechende Tonbildung nicht sehr eigneten.

Hast Du zu dem Zeitpunkt Deiner Anregung für Seiffert gerade ein bestimmtes Stück gespielt?

„Nein. Daran dachte ich nicht. Ich liebte zu dieser Zeit meine wirklich wunderbare Herwiga-Mandoline, mit großem und prächtigen Klang. Dieses Instrument wurde aber nicht mehr gebaut.

Ich wünschte mir für die vielen guten und begabten Mandolinenspieler, denen ich begegnete, ein Instrument von hoher Qualität, mit dem man von Barock über Klassik und Romantik bis zur Moderne gleichgut musizieren kann.“

Was ging Dir durch den Kopf, als Du Dein Klangideal in die Welt gesetzt hast?

„Ich glaubte (was sehr verwegen war), dass das „rundere“ Modell mit anderen Maßen, einen weicheren und tragfähigeren Ton erzeugen könnte.

Es war einfach ein sehr großes Glück, dass Seiffert so ein wunderbarer Mensch und vor allem ein genialer Instrumentenbauer war, und mein Wunsch in Erfüllung ging. Ich war und bin sehr dankbar. Es sollte wohl so sein. Die Wirkung ist und war ja frappierend! Das ist für mich immer noch ein Wunder.“

Und nun haben wir DAS BUCH von Alfred Woll und seine Mandolinen, die stabil sind und einfach gut klingen – ob man Barock, Klassik, Romantik oder Moderne spielt.

Alfred Woll Variationen seines Modell Seiffert ©Alfred Woll
Alfred Woll Variationen seines Modell Seiffert ©Alfred Woll
Das englische Cover des Buches von Alfred Woll